Tareno View Q4 2023
Veröffentlicht: 09. Oktober 2023
Marktkommentar
Anleihen
Der Spuk um die gestiegene Ausfallwahrscheinlichkeit in den USA (1-Jahres-CDS) ist ebenso schnell verflogen, wie er gekommen ist: Von 4% in der Spitze fiel die Ausfallwahrscheinlichkeit wieder auf unter 0,4%. Wenn man bedenkt, dass das Thema erneut lediglich vertagt wurde, zeigt der Markt eine hartnäckige Ignoranz. Für uns stiegen die Zinsen überraschendereise nicht nur am kurzen Ende durch vermeintlich finale Zinserhöhungen der Notenbanken, sondern auch die stärker marktgetriebenen 10-Jahreszinsen. Die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen haben sich zuletzt erhöht, vor allem bei Schuldnern geringerer Bonität. Im historischen Vergleich befinden sie sich jedoch auf tiefem Niveau.
Aktien
Nach einem insgesamt freundlichen Auftakt gaben die Aktienmärkte im Verlauf des 3. Quartals teils deutlich nach. Die Entwicklung der Zinsen bleibt zumindest kurzfristig der bestimmende Faktor für die Aktienmärkte. Die Bereitschaft Risiken einzugehen ist im Verlauf des Quartals weiter gesunken. Substanzwerte konnten sich gegenüber Wachstumswerten entsprechend gut entwickeln. Die eingetrübten Wachstumsaussichten belasten in erster Linie das Segment der mittelgrossen Firmen.
Alternative Anlagen
Der Goldpreis bewegte sich weitgehend seitwärts, ehe er in den letzten Handelstagen unter die Marke von USD 1’900 rutschte. Während die anhaltenden Käufe der Zentralbanken stützend wirken, erfährt der Goldpreis durch die gestiegenen Zinsen Gegenwind. Die Realzinsen in den USA stehen bei über 2% und damit so hoch wie zuletzt während der Lehman-Krise 2007.
Der Bitcoin konnte die Kursgewinne nach dem ETF-Antrag BlackRocks nicht halten und notiert wieder bei circa USD 26’000. Die US Börsenaufsicht SEC hat ihre Entscheidung zu BlackRocks Antrag auf Mitte Oktober verschoben, was zu Kursverlusten führte.
Makroökonomisches Umfeld
Das konjunkturelle Umfeld bleibt eingetrübt und mahnt zur Vorsicht. Die jüngsten Monate waren von einem Auseinanderdriften der beiden Kontinente geprägt: Während die Datenlage in Europa eher uneinheitlich ist und verschiedene Indikatoren auf niedrigem Niveau verharren, zeigten die USA relative Stärke. So verbesserten sich in den USA die Einkaufsmanagerindizes sowohl für das verarbeitende Gewerbe als auch für den Dienstleistungssektor. Allerdings senden auch die USA gemischte Signale, denn das Konsumentenvertrauen und die Umfrageergebnisse bei kleinen und mittleren Unternehmen sind bereits seit Juni rückläufig.
In der Schweiz hat sich der Dienstleistungssektor gut erholt, während das verarbeitende Gewerbe weiterhin unter dem starken Franken leidet. Die exportorientierten Unternehmen spüren zudem die Schwäche in China und Europa. Die Produktion ist weiterhin rückläufig, die Einkaufsmanagerumfragen verharren auf dem tiefsten Stand seit der Finanzkrise.
Dass sich die Schweiz und die USA im Vergleich zu Europa in einer besseren Lage befinden, spiegelt sich in den Entscheidungen der jeweiligen Zentralbanken wider. Die SNB konnte aufgrund der niedrigen Inflation den Leitzins unverändert lassen. Die Fed entschied sich seit Juni für einen weiteren Zinsschritt um 25 Basispunkte, während die EZB zwei Zinserhöhungen vornahm. Letztere zeigen das Dilemma der EZB: Die Konjunktur ist schwach, die Peripherieländer leiden unter den höheren Refinanzierungskosten und die Inflation ist zwar weiter rückläufig, aber verharrt weiterhin auf hohem Niveau.
Ausblick
Wie gestaltet sich unser Ausblick für die kommenden Monate bis zum Jahresende? Leider gibt es hier erneut keine klare Antwort, lediglich Szenarien. Bis vor kurzem waren sich viele Marktteilnehmer sicher, dass die drastischen Zinserhöhungen der Fed die Wirtschaft stark bremsen und die Inflation entsprechend stark zurückgehen würde. Seit der letzten Fed-Sitzung im September ist klar, dass eine Zinssenkung wohl eher ein Thema für die zweite Jahreshälfte 2024 sein wird. Dass dies im Kontext einer rückläufigen Inflation und einer bisher stabilen Wirtschaft geschieht, sollte für die Aktienmärkte eigentlich positiv sein. Unter den Anlegern ist jedoch Zurückhaltung und grosse Unsicherheit spürbar: Steigen die langfristigen Zinsen in den USA weiter an? Sorgt der zuletzt stark gestiegene Ölpreis für anhaltend hohe Inflation? Wird der persistente Lohndruck anhalten? Wir wissen aus der Vergangenheit, dass die Löhne der Entwicklung des Arbeitsmarktes mit einer grossen Verzögerung folgen.
Immerhin glauben wir aus den letzten Äusserungen der Zentralbanken (weltweit) herauszuhören, dass sich die Phase der Zinserhöhungen langsam dem Ende neigt. Dafür gibt es gute Gründe. Wir sehen zwar keine starke Rezession in den USA, allerdings sehen wir Zeichen für eine Abschwächung. Eine Erholung der chinesischen Wirtschaft lässt weiterhin auf sich warten. Ein weiterer Anstieg des Ölpreises ist in diesem Kontext nicht zu erwarten. Hinzu kommt ein rückläufiger Konsum, Zurückhaltung bei Investitionen und eine gedämpfte Industrieproduktion.
Je nach Blickwinkel sind viele Szenarien denkbar, was die Entwicklung der Inflation, der Zinsen und der Aktienmärkte angeht.
Mark Twain sagt: „Den ganzen Ärger macht nicht das, was wir nicht wissen, sondern das, was wir sicher zu wissen glauben, obwohl es gar nicht zutrifft.“
In diesem Sinne ist die Unsicherheit bezüglich des Ausblickes auf die kommenden Monate eigentlich kein Nachteil. Sie zwingt uns, unsere Strategie kontinuierlich zu prüfen und zu hinterfragen. Wir bleiben in soliden Firmen investiert und setzen auf Themen, welche langfristigen Treibern unterliegen. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass sich der Wind schnell drehen kann. Vor allem an den Aktienmärkten.
Anlagepolitik
Asset Allokation
Es gibt oft mögliche Gefahren und damit gute Gründe, sich von risikobehafteten Anlagen zu trennen. Allerdings sind Krisen und dunkle Wolken am Finanzmarkt keine Seltenheit und vergangene Ereignisse zeigen, dass es sich lohnt, ruhig zu bleiben. Das Credo der Stunde lautet: „Wer investiert, kann verlieren. Wer nicht investiert, hat schon verloren.“
Liquiditätsmanagement ist weiterhin von zentraler Bedeutung. Trotz der stark gestiegenen Zinsen lassen die regulären Habenzinsen auf Kontoguthaben noch auf sich warten. Daher empfehlen wir nur einen überschaubaren Betrag auf dem Konto zu belassen und den Grossteil des Vermögens in Festgeldern und Treuhandanlagen anzulegen. Auf diese Weise können nicht nur Zinsen generiert, sondern es kann auch täglich darüber verfügt werden.
Auf der Obligationenseite investieren wir vorsichtig und defensiv hinsichtlich Bonität und Laufzeiten der Investments. Wir halten weiterhin an der Präferenz für Unternehmen mit guter Bonität bis hin zu sicheren Staatsanleihen fest.
Im vergangenen Quartal haben wir die Aktienquote leicht reduziert, was sich ausgezahlt hat. In den kommenden Wochen planen wir, diese Untergewichtung zu reduzieren und entsprechende Käufe zu tätigen.
Alternative Anlagen verbessern insgesamt das Risikoprofil unserer Portfoliostrategien, daher werden wir weiterhin an der bisherigen Allokation festhalten.
Positionierung
Anleihen
An unserer Einschätzung hat sich im Vergleich zu den vergangenen drei Monaten nichts geändert.
Aufgrund der Unsicherheit bezüglich des Ausblickes und einem von uns erwarteten Anstieg der Risikoaufschläge bleiben Staatsanleihen und Pfandbriefe eine attraktive Beimischung. Bei Rückzahlungen bestehender Obligationen mischen wir diese den Portfolios bei und unterstützen damit das Vorhaben, das Portfolio robuster zu gestalten. Investment-Grade-Anleihen bleiben gegenüber Hochzinsanleihen hoch überlegen. Nach wie vor setzen wir bei den Unternehmensanleihen aufgrund der inversen Zinsstrukturkurve und der konjunkturellen Herausforderungen ausschliesslich Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten ein.
Aktien
Die negative Stimmung der Investoren hat in den letzten Wochen stark zugenommen. Der aktuelle Tiefstand des Fear-Greed-Index wurde in diesem Jahr bereits zweimal erreicht – einmal Anfang Januar und einmal Ende März. Beide Male waren dies gute Einstiegszeitpunkte und so stimmt uns die negative Stimmung zuversichtlich, dass die Talsohle der Abwärtsbewegung bald erreicht sein dürfte.
Wir gehen konkludent davon aus, dass sich die Aktienmärkte im letzten Quartal 2023 aufgrund der Tendenz zur wirtschaftlichen Normalität und nachlassender Konjunktursorgen positiv entwickeln werden. Aus diesem Grund werden wir die Untergewichtung innerhalb der nächsten Wochen reduzieren, indem wir die Aktienquote um einige Prozentpunkte anheben. Unabhängig von der regionalen Ausrichtung, achten wir bei der Auswahl von Einzeltitel, neben einem ganzen Set an Kriterien im aktuellen Umfeld, vor allem auf die Verschuldung, die Erwirtschaftung der Eigenkapitalkosten sowie die Visibilität der Erträge. Getreu unserer Anlagephilosophie konzentrieren wir uns auf solide und profitable Geschäftsmodelle.
Alternative Anlagen
In den letzten Monate waren wir in dieser Anlageklasse auffällig aktiv. Kursgewinne wurden auf der Goldposition realisiert, und in dessen Folge haben wir die Gold-Quote in allen Anlagelösungen auf 5.5% reduziert. Die taktische Übergewichtung bei Gold beträgt somit noch 1.5%.
Der bestehende Bitcoin Tracker wurde aufgrund der erwarteten Kurssteigerung leicht auf eine Gewichtung von 1.2% aufgestockt und unser einziges «illiquides» Private Equity-Engagement über alle Anlagelösungen breiter eingesetzt, mit einer Gewichtung von 3.7%.
Unmittelbar stehen keine weiteren Anpassungen an, so dass die Quote für Alternative Anlagen je nach Anlagelösung und Risikoklasse 5% bis 11% beträgt und in den kommenden Monaten auf diesem Niveau verbleiben dürfte.
Währungen
Wir setzen unser aktives Währungsmanagement fort und halten die Fremdwährungsgewichtung in der Regel tief bis moderat.
Der Schweizer Franken bleibt unser Favorit: Er gilt nicht nur als sicherer Hafen, sondern die Schweizer Wirtschaft erweist sich einmal mehr als Fels in der Brandung und wird im Gegensatz zu ihren europäischen Nachbarn eine Rezession vermeiden können. Wir halten daher eine weitere Aufwertung gegenüber EUR, USD und GBP für wahrscheinlich und halten die Gewichtung in den Portfolios vergleichsweise hoch.
Impressum
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CIO / Head of Portfolio Management
g.taraszow@tareno.ch
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Chief Executive Officer
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Stefan Schütz
Head Equity Research
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